In der Handweberei beginnt das eigentliche Weben lange bevor das erste Schiffchen über die Kette gleitet. Einer der wichtigsten und grundlegendsten Schritte ist das Schären der Kette – ein Prozess, der Geduld, Präzision und ein gutes Auge erfordert. Doch was bedeutet „Schären“ eigentlich genau, und warum ist dieser Arbeitsschritt so entscheidend?

Was ist das Schären einer Kette?

Beim Schären – auch "Kettenschären" genannt – werden die einzelnen Kettfäden in der gewünschten Länge und Reihenfolge vorbereitet und auf einen Schärrahmen oder Schärbaum, aufgezogen. Ziel ist es, eine ordentliche, spannungsgleiche Kette herzustellen, die später ohne Probleme auf den Webstuhl übertragen werden kann.

Warum ist das Schären so wichtig?

Eine gut geschärte Kette ist die halbe Miete beim Weben. Wenn die Fäden unterschiedlich lang, vertauscht oder ungleichmäßig gespannt sind, entstehen beim Weben schnell Probleme: Fadenspannungsschwankungen, Webfehler oder gar Fadenrisse. Sauberes Arbeiten beim Schären spart also später viel Frust – und Zeit.

Schritt-für-Schritt: So funktioniert das Schären

  1. Planung der Kette
    Bevor überhaupt ein Faden gespannt wird, müssen einige wichtige Fragen geklärt werden, die sogenannte Kettplanung:
    • Wie breit soll das Gewebe werden?
    • Welche Bindung wird verwendet?
    • Wie viele Fäden pro Zentimeter (Dichte) sind erforderlich?
    • Wie lang soll das fertige Stück werden, inklusive Verschnitt?
    Aus diesen Angaben ergibt sich die Gesamtanzahl der Kettfäden sowie die benötigte Kettenlänge.
  2. Auswahl des Garns
    Je nach Projekt wird ein geeignetes Garn ausgewählt. Für eine Tischdecke z. B. eignet sich Leinen oder Baumwolle, für einen Schal eventuell Wolle oder Seide.
  3. Schären mit dem Schärrahmen oder Schärbaum
    Nun beginnt das eigentliche Schären:
    • Die Fäden werden in der vorher berechneten Weise auf den Schärbaum gebracht. Als Beispiel: Hat der Schärbaum einen Umfang von 4 m und soll eine 12 m lange Kette entstehen, müssen die Fäden dreimal herumgeführt werden.
    • Auch die Kettbreite ergibt sich durch die Anzahl der Fäden pro Zentimeter. Zum Beispiel: Bei 8 Fäden/cm und 4 Spulen ergibt jede vollständige Runde 2 cm Kette.
  4. Fixieren und Abbinden
    Nach dem Schären wird die Kette abgebunden – insbesondere am Fadenkreuz – um die Reihenfolge der Fäden zu sichern. Anschließend wird sie sorgfältig vom Schärbaum genommen.
  5. Bereit für den nächsten Schritt
    Die geschärte Kette wird nun auf den Webstuhl aufgebäumt und die Fäden durch Litzen und Blatt gezogen. Doch das ist ein Thema für einen eigenen Beitrag!

Es gilt zu beachten:

  • Nicht zu lang schären: Gerade für Anfänger ist es sinnvoll, mit kürzeren Ketten zu beginnen, um ein Gefühl für den Ablauf zu bekommen.
  • Ordnung bewahren: Abbindungen nicht vergessen! Das Fadenkreuz ist die wichtigste Orientierungshilfe beim Einziehen.
  • Gleichmäßige Spannung: Achte beim Schären darauf, dass alle Fäden unter gleichmäßiger Spannung geführt werden.

Das Schären einer Kette ist eine fast meditative Tätigkeit – der Grundstein jedes Webprojekts. Wer hier mit System und Sorgfalt arbeitet, wird später mit einem gleichmäßigen, stabilen Gewebe belohnt. Es ist ein Moment der Vorbereitung, in dem sich handwerkliche Präzision mit kreativer Vorfreude verbindet.